7 November 2025

Vom Sparer zum Realisten

Der nachfolgenden Artikel wurde veröffentlicht von der Investmentabteilung des Maklerpools Invers in Leipzig. Ich bedanke mich bei Invers den Beitrag inhaltlich verwenden zu dürfen.

Der Weltspartag 2025 steht im Zeichen der Ehrlichkeit: In einer Welt voller Schulden und strukturell höherer Inflation verliert, wer auf Zinsen hofft. Es gewinnt, wer reale Werte besitzt. Das klassische Sparen gilt vielen Deutschen noch immer als Inbegriff von Sicherheit. Doch Sicherheit, die Kaufkraft kostet, ist keine mehr.


Schulden- statt Zinsberge

Noch nie war die Welt so hoch verschuldet wie heute. Nach aktuellen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) beträgt die weltweite Gesamtverschuldung, bestehend aus Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten rund 235 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Davon entfallen 93 Prozent auf Staaten, 80 Prozent auf Unternehmen und 62 Prozent auf private Haushalte.

Das ist der höchste Stand seit Beginn der IWF-Erhebungen in den 1950er-Jahren. Das heißt, dass auf jeden Euro, Dollar oder Yen an realer Wirtschaftsleistung kommen inzwischen ca. als 2,35 Euro Schulden. Besonders stark gestiegen sind die Verbindlichkeiten der Staaten. Getrieben wird diese Entwicklung durch die Folgen der COVID-19-Pandemie, steigende Lebenshaltungskosten, geopolitische Konflikte und die Finanzierung des Klimawandels.


Inflation reduziert die Schuldenlast

Theoretisch gibt es drei Wege, diese Schuldenlast zu reduzieren:

- durch Wirtschaftswachstum, das die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung senkt

- durch konsequentes Sparen und Haushaltsdisziplin oder

- durch Inflation, die den realen Wert der Schulden entwertet

In der Praxis ist Variante 3 die wahrscheinlichste. Warum? Wachstum allein reicht selten aus, denn schon kleine Zinsanstiege erhöhen die Zinslast der Staaten stark. Sparen durch Haushaltsdisziplin ist politisch unpopulär. Nach Phasen strikter Konsolidierung folgt meist wieder eine expansive Ausgabenpolitik. Die 1980er und 1990er zeigen es deutlich, denn trotz einzelner Reformphasen stiegen die globalen Schuldenquoten weiter und Inflation ist der stille, bequeme Weg. Nach dem Zweiten Weltkrieg oder auch in den 1970er Jahren wurden Schulden real verringert, indem die Preise schneller stiegen als die Zinsen. Nominal blieb alles stabil und real schmolzen die Verbindlichkeiten.

Heute wiederholt sich dieses Muster. Mit strukturell hohen Staatsausgaben, alternden

Bevölkerungen und geopolitischem Druck ist der Weg über dauerhaft höhere Preisniveaus die politisch einfachste Form der Entschuldung. Fazit: Schulden lassen sich theoretisch durch Wachstum oder Sparen abbauen, praktisch geschieht das jedoch selten. Die Erfahrung zeigt, dass Inflation der bequemste Weg ist, die reale Schuldenlast zu verringern mit der Folge, dass klassische Sparer die Zeche zahlen.


Die Rückkehr der Zinsillusion

Viele Deutsche atmeten auf, nach Jahren ohne Ertrag gab es wieder Zinsen. Tagesgeld mit drei Prozent, Festgeld mit vier Prozent, das klang verlockend. Doch wer den Taschenrechner zückt, erkennt schnell, dass die Inflation alles auffrisst. Die durchschnittliche Teuerung in Deutschland lag 2023 bei 5,9 %, 2024 bei 2,2 % und aktuell bei 2,4%. Im gleichen Zeitraum erhielten Anleger im Schnitt rund 3 % Zinsen. Ein negativer Realzins von –0,5 %. Seit über einem Jahrzehnt liegen die Realzinsen durchgehend im Minus.

Wer 10.000 Euro über zehn Jahre im Sparbuch oder Festgeld anlegt, besitzt real weniger Geld als beim Start. Beispiel: Bei 2 % Zins und 3 % Inflation bleiben 10.000 € genau 9.425 € wert auf dem Papier. Nach Steuern und Gebühren ist das Ergebnis ein noch größeres Verlustgeschäft.


Wenn Sicherheit zur Schwäche wird

Die Deutschen lieben das Gefühl der Sicherheit. Doch Sicherheit hat ihren Preis und dieser heißt Kaufkraftverlust. Zinsprodukte, die scheinbar Schutz bieten, vernichten langfristig reale Werte. Sicherheit ist zur Schwäche geworden. Wer sein Geld ausschließlich auf Konten parkt, schützt es nicht, sondern lässt es still entwerten. Nur Sachwerte schützen nachhaltig vor Kaufkraftverlust.


Inflationsschutz braucht Substanz und nicht Hoffnung

Dauerhaft höhere Preise sind keine Randerscheinung, sondern ein Ergebnis politischer und

wirtschaftlicher Entscheidungen. Hohe Staatsausgaben, Deglobalisierung, Fachkräftemangel, Energiewende; all das führt zu dauerhaft höheren Kosten. Zentralbanken können angesichts der Verschuldung keine hohen Realzinsen zulassen, ohne das System zu gefährden. Damit steht fest: Inflation bleibt und wer Geldwerte hält, verliert real.


Welche Anlageformen sich jetzt eignen

Aktien und Aktienfonds: Unternehmen können Preise anpassen, Gewinne steigern und profitieren langfristig von Inflation. Aktien sind keine Spekulation, sondern Beteiligung an Produktivkapital.

Offene Investmentfonds bieten hier eine faire, regulierte und breit gestreute Möglichkeit. Besonders aktiv gemanagte Fonds können zwischen Branchen und Regionen flexibel umschichten.

Mischfonds: Für Anleger, die Schwankungen begrenzen möchten, bieten aktiv gemanagte

Mischfonds flexible Strategien. Sie kombinieren Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Liquidität und passen die Gewichtung laufend an das Marktumfeld an.

Rohstoffe: Rohstoffe sind natürliche Inflationsschutz-Anlagen. Gold, Energie und Industriemetalle profitieren von Preissteigerungen. Ein Rohstoffkorb oder Fonds kann diese Wirkung diversifiziert nutzen.

Immobilien – mit Einschränkungen: Zwar bleiben Immobilien grundsätzlich Sachwerte, doch die Offenen Immobilienfonds stecken in der Krise. Liquiditätsengpässe, sinkende Bewertungen und wachsende Rückgabe zeigen: Auch bei Sachwerten ist die Auswahl entscheidend.

Geldmarktfonds – sinnvoll als Brücke, nicht als Ziel: Kurzfristig eignen sie sich gut zum Parken von Liquidität. Noch besser aber: Anleger können über Entnahmepläne aus einem Geldmarktfonds regelmäßig in Aktienfonds investieren. So lässt sich der Cost-Average-Effekt nutzen. Außerdem entspannt sich der Druck, den „perfekten Einstiegszeitpunkt“ finden zu wollen.


Deutschland spart, andere Nationen investieren

Ein Blick über die Grenzen zeigt, wie groß der Rückstand ist: In den USA besitzen 61% aller

Haushalte Aktien oder Fonds, in der Schweiz 38%, in Schweden 35% und in Deutschland nur 18%. Während Dänen und Kanadier in den vergangenen zehn Jahren rund 90% ihres

Geldvermögenszuwachses aus Wertsteigerungen erzielten, hatten deutsche Haushalte Mühe, überhaupt die Inflation auszugleichen. Und dennoch gehören sie bei der Ersparnisbildung zur Weltspitze.

Das Paradoxon ist offensichtlich, dass die Deutschen für ihr Geld arbeiten, anstatt es für sich arbeiten zu lassen. Dieses Verhalten ist kein Zufall. Es ist das Resultat eines Systems, das Arbeitseinkommen über Kapitaleinkommen stellt. Das Umlageprinzip der gesetzlichen Rente schafft Ansprüche, aber kein Eigentum. Kapitalgedeckte Vorsorge dagegen bildet reales Vermögen und stärkt Eigenständigkeit. Wer dauerhaft nur einzahlt, ohne Kapital aufzubauen, bleibt abhängig und stabilisiert Ungleichheit statt sie zu verringern.


Finanzbildung als Demokratiekompetenz

Finanzielle Bildung ist weit mehr als die Fähigkeit, Zinsen zu berechnen oder Fonds zu vergleichen. Sie ist Voraussetzung für wirtschaftliche Mündigkeit. Wer versteht, wie Kapitalmärkte funktionieren, kann politische Versprechungen und populistische Forderungen besser einordnen. In einer Demokratie, die auf Eigenverantwortung beruht, ist finanzielle Bildung keine Kür, sondern Pflicht. Sie befähigt dazu, Chancen zu erkennen und Verantwortung zu übernehmen.


Vom Weltspartag zum Weltanlegertag

Der Weltspartag 2025 sollte kein nostalgischer Blick zurück sein, sondern ein Weckruf:

„Sparen ist das Zurücklegen von Geld. Investieren ist das Gestalten von Zukunft.“ Wer heute reale Rendite sucht, muss sein Geld dorthin lenken, wo Werte entstehen und zwar in Unternehmen, Innovationen und Sachwerte. Nur so arbeitet Geld wieder für die Menschen und nicht umgekehrt. Sparer verlieren, wenn sie nichts riskieren. Sparer sollten zwingend die Opportunitätskosten beachten. Damit ist die Rendite der verpassten Gelegenheiten gemeint, den Sparer nicht verdienen, wenn sie ihr Geld nicht arbeiten lassen. Der neue Realismus im Umgang mit Geld beginnt mit einer einfachen Erkenntnis, dass Zinsen keine Lösung sind.


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