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Feb 14 2017

Draghis absurde Auslegung der Inflation

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), rüttelt nicht an seinem milliardenschweren Anleihenkaufprogramm. Das überrascht Johannes Mayr, Volkswirt der Bayerischen Landesbank, keinesfalls. Wie viele andere Experten glaubt auch er, dass die EZB ihren expansiven Kurs in diesem Jahr fortsetzen wird. Denn bei der letzten Sitzung in Frankfurt wurde beschlossen, den Leitzins (Zinssatz für den Banken frisches Geld von der Zentralbank erhalten) auf dem historischen Stand von Null Prozent zu belassen.

Inflationsrate bei knapp zwei Prozent

Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes stieg die Inflationsrate im Januar um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das entspricht dem höchsten Wert seit dreieinhalb Jahren. Bereits im Dezember 2016 ist die Teuerung durch höhere Öl- und Energiepreise unerwartet stark ausgefallen. Somit wird die angestrebte Grenze in Höhe von zwei Prozent vermutlich bald erreicht sein, letztmalig hatte sie Ende 2012 Bestand.

Sparer zahlen drauf

Im Gegensatz zu früheren Jahren löst dieser Preissprung keine Ängste bei den Währungshütern aus – für Draghi ist es lediglich ein Zeichen von Normalisierung. Also wird die Politik des billigen Geldes fortgesetzt und der Sparer hierzulande hat das Nachsehen, denn er bekommt weiterhin keine Zinsen. Dem gegenüber werden allerdings die Verbraucherpreise steigen. Draghi äußerte sich auf der jüngsten EZB-Pressekonferenz zum Thema Inflation: „Wir haben darüber nicht diskutiert“.

Offizieller Auftrag der EZB

Der offizielle Auftrag der EZB lautet, die Preise in der Euro-Zone stabil zu halten. Damit wird eine Inflationsrate von mittelfristig knapp zwei Prozent angesprochen. „Das erhöht die Transparenz der Geldpolitik und gibt den Bürgern eine klare Orientierung, an der sie die EZB messen können“, so die Definition der Notenbank auf der Internetseite über das eigene Ziel. Seit ihrem Start im Jahr 1998 handelte die Zentralbank danach und es gab nur wenige Kritikpunkte, bis jetzt.

Draghis neue Definition

Damit Maßnahmen gegen eine Teuerung ergriffen werden, müssen aus Sicht von Mario Draghi mittlerweile vier Merkmale erfüllt sein:

1. Sie muss selbsttragend und nicht allein durch die lockere Geldpolitik verursacht sein.
2. In den einzelnen EU-Ländern muss sich die Inflation angleichen.
3. Die Teuerung muss langfristig anziehen und darf sich nicht nur vorübergehend erhöhen.
4. Sie muss in der gesamten Euro-Zone ein gewisses Niveau übersteigen.

Sollte sich diese neue Auslegung vom Begriff Inflation durchsetzen, bleibt die Niedrigzinspolitik sicherlich noch bis zum Ende der Amtszeit von Draghi 2019 bestehen und Europa wird noch lange auf höhere Zinsen warten müssen. Ökonomen stellen diese Auslegung in Frage. „Faktisch hängt Draghi die Latte für einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik höher“, sagt beispielsweise Commerzbank-Chefökonom Jörg Kramer. Aus seiner Sicht bedenklich erscheint der Punkt, dass der Anstieg der Inflation selbsttragend sein müsse: „Schließlich kann die EZB immer behaupten, die Inflation würde ohne die lockere Geldpolitik nicht steigen. Das Gegenteil lässt sich schwer beweisen.“

Ölpreis treibt Inflation nach oben

Die Inflation war in den vergangenen Jahren das große Sorgenkind der europäischen Währungswächter. So lag die Teuerung in den letzten zwei Jahren im Durchschnitt bei lediglich   0,1 Prozent. Verantwortlich dafür war der starke Rückgang des Ölpreises auf zeitweise $ 26 pro Barrel. Private Verbraucher und Unternehmen profitierten davon. Obwohl eine Deflation nicht zu befürchten war legte im März 2015 die EZB ein milliardenschweres Kaufprogramm für Anleihen auf. Ziel dieser Aktion war eine Inflationsrate zu erzeugen um damit die Wirtschaft wieder „auf Trab“ zu bringen. Dieses Programm wurde mittlerweile bis Ende des Jahres verlängert. Allerdings hat der starke Anstieg der Inflationsrate damit nur wenig bis nichts zu tun, sondern ist allein dem höheren Ölpreis geschuldet. Nun müssen Privatpersonen und Betriebe für Energiekosten wieder tiefer in die Tasche greifen.

Deutsche Ökonomen zeigen sich verärgert

Die Inflationsraten in den einzelnen EU-Staaten sind weiterhin unterschiedlich. Während diese in Irland im Dezember bei 0,2 Prozent lag, stiegen die Preise in Estland um 2,4 Prozent. Hierzulande gab es eine Verteuerung von 1,7 Prozent. Somit liegt Deutschland über dem Durchschnitt aller Länder von 1,1 Prozent. Das Kaufprogramm wurde aufgelegt als der Ölpreis fiel, wird aber nun bei steigenden Preisen fortgeführt. Diese Argumentation der Notenbanker verärgert die deutschen Ökonomen. „Die Gefahr ist, dass der Ausstieg aus dem Kaufprogramm verzögert wird“, warnt die Bonner Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. „Die Geldhüter argumentieren also asymmetrisch“. Ähnlich ist die Sichtweise von EZB-Architekt Issing: „Eine wirkliche Deflationsgefahr hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.“ Das ist bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt, der laut wird. Denn es stellt sich die Frage, ob die genannten Inflationswerte das Geschehen in der Euro-Zone genau widerspiegeln. „Das größte Problem ist, dass die EZB einen zu engen Preisbegriff hat“, so Ökonom Krämer. Der Verlust der Kaufkraft ist nicht nur durch steigende Verbraucherpreise bedingt, sondern an erster Stelle steht eine Verteuerung der Immobilien in den Ballungszentren. Vor allem hier sieht Krämer Reformbedarf: „Die EZB sollte auch die Vermögenspreise berücksichtigen, die sie mit ihrer lockeren Geldpolitik in die Höhe treibt.“

„Eine Neudefinition des Inflationsbegriffs ist kritisch zu betrachten“

Der Grund, weshalb Notenbanken an ihrem Kurs festhalten hat wenig mit der Inflation selbst zu tun. In Jahren der „ultralockeren“ Zinsen haben sich die Regierungen der verschuldeten EU-Länder daran gewöhnt, zum Nulltarif weitere Kredite zu erhalten. „Tragfähigkeitsillusion“ nennt es der Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und warnt vor mangelnder Einpreisung der Risiken: „Weil die Notenbanken im großen Umfang Staatsanleihen kaufen, zahlen die Länder des Euro-Raums auf diesen Teil ihrer Staatsschulden fast identische Zinssätze – und das unabhängig von ihrer Kreditwürdigkeit.“ Derartige Zusammenhänge sorgen bei einigen Ökonomen für Misstrauen. „Eine Neudefinition des Inflationsbegriffs ist kritisch zu betrachten“, so Jörg Rocholl, Professor für Geldpolitik an der Berliner European School of Management and Technology. Er spricht sich gegen eine Neuauslegung des Begriffes Inflation durch Mario Draghi aus und zweifelt am eigentlichen Sinn der Niedrigzinspolitik. „Die Kernfrage ist, ob die EZB tatsächlich ihrem Mandat zur Preisstabilität folgen kann oder vielmehr fiskalpolitscher Dominanz unterliegt“, sagt er.

Umdenken nötig

Mittlerweile haben sich viele institutionelle Investoren auf eine Fortdauer der Niedrigzinsen eingestellt. „Die Anleihekäufe werden noch bis mindestens zum zweiten Quartal 2018 laufen“, meint Andrew Bosomworth, verantwortlich für mehrere milliardenschwere Fonds bei der Fondsgesellschaft Pimco. Seiner Meinung nach wird die EZB frühestens im Jahr 2019 ihre Zinssätze wieder anheben. Um die Inflationsrate im gesamten Euro-Raum dauerhaft zu steigern, muss sie in Deutschland – trägt 27 Prozent zum Durchschnitt bei – für einen bestimmten Zeitraum über die zwei Prozent-Marke steigen. Selbst Otmar Issing hält das für den richtigen Weg: „Die EZB hat einen Auftrag für den gesamten Euro-Raum, es geht immer um den Durchschnitt. Das bedeutet, dass die Deutschen auch mal mit einer höheren Inflation leben müssen, wenn die Preise anderswo in der Euro-Zone niedriger sind. Es gab auch Zeiten, da lag die Inflation in Spanien bei fünf Prozent und die deutsche bei einem Prozent. Da hat sich auch keiner beschwert.“

Fazit für den Sparer

Die Zinsen bleiben kurzfristig auf einem historischen Tiefstand. Aber auch mittelfristig sind nur Steigerungen im geringen Umfang möglich, da viele Staaten hochverschuldet sind und sich keine höheren Belastungen leisten können. Die traditionellen Sparanlagen aus dem Banken- und Versicherungsbereich bleiben demzufolge auch weiterhin nur wenig interessant für die dringend benötigte Altersvorsorge. Als Alternative gilt einzig eine direkte Beteiligung in der Wirtschaft. Die einfachste Form hierzu ist der offene Investmentfonds. Sehen Sie in diesem Zusammenhang auch eine Reportage der ARD: http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/videos/Plusminus_01-02-2017_Zinsdesaster-100.html

 

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