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Herbe Kritik an Lauterbachs Reformplänen

Wie ist die aktuelle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)? Laut des kompetenten, allseits beliebten und als Dauergast in Talkshows gerne gesehenen Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach (SPD) klafft schon im nächsten Jahr eine Lücke von € 17 Milliarden im System, die zum großen Teil mit einem Zusatzbeitrag von 0,3 Prozentpunkte durch die Versicherten aufgefangen werden soll – siehe folgenden Blogartikel. Aber diese Zahlen sind nur ein Teil der Wahrheit. Erschreckende Fakten lieferte AOK-Chefin Carola Reimann in einem Interview mit dem Handelsblatt. Den Kassen droht eine weit größere Krise und auch die Insolvenz eines großen Anbieters ist nicht ausgeschlossen.

Weniger Netto vom Brutto

Die drohenden Verteuerungen sind nach Ansicht von Carola Reimann, die selbst SPD-Mitglied ist, bei den Bürgern noch nicht angekommen. Das wird sich durch den geplanten Zusatzbeitrag ändern. „In Zeiten von rasant steigenden Energiepreisen und hoher Inflation sind das keine guten Nachrichten“, so Reimann.

Reformpläne weder nachhaltig noch gerecht

Nach Ansicht der Diplom-Biotechnologin liegt der Grund für den hohen Fehlbetrag der GKV in den Gesundheitsreformen der Vorgänger-Regierung. Viel Geld ausgegeben, aber kaum Nutzen für die Versicherten erzielt, so lassen sich die Aktivitäten zusammenfassen. Auf längere Sicht nachhaltige Struktur- und Finanzreformen wurden seit Jahren verschlafen. Die geplanten Reformen ändern daran auch nichts. „Was Minister Lauterbach vorgestellt hat, ist weder nachhaltig noch gerecht. Stattdessen betreibt er hektische Flickschusterei, die keine Planungssicherheit über 2023 hinaus bietet“, sagt sie.

Hauptlast sollen Versicherte tragen

Die Hauptlast sollen, wie eingangs erwähnt, die gesetzlich Versicherten tragen, denn € 12 Milliarden sollen durch den höheren Zusatzbeitrag in die Kassen gespült werden. Des weiteren sehen die Pläne vor, dass die bestehende Kassenreserve um € 2,4 Milliarden reduziert wird, die ebenfalls aus Beiträgen der Versicherten gebildet wird. Zusätzlich gewährt der Bund ein Darlehen von € 1 Milliarde, das später zurückgezahlt werden soll. „Das ist völlig unverhältnismäßig, und ich halte das für einen echten Sündenfall“, wird Reimann zitiert.

Ausgaben übersteigen Einnahmen

Die AOK-Chefin kritisiert, dass sich die finanziellen Probleme der GKV ab dem nächsten Jahr verschärfen werden, da das Darlehen zurückgeführt werden muss und die Reserven aufgebraucht sind. Zudem klafft die strukturelle Lücke weiter, da die Ausgaben die Einnahmen um mindestens ein Prozent übersteigen. Wenn dann noch die Konjunktur auf Grund von hohen Energiepreisen und Inflation – deren Ursachen zum großen Teil politisch verursacht sind – schwächelt, vergrößert sich das Defizit noch mehr. In der Folge müssen die Versichertenbeiträge noch stärker steigen als ohnehin geplant.

Fragile Situation

Carola Reimann kommt zu dem Fazit: “Wir haben eine fragile Situation. Der Minister muss verstehen, dass die Kassen leer sind“. Es fehlen finanzielle Mittel an allen Ecken und Enden, beispielsweise mangelt es an Kapital für Coronamaßnahmen oder Krankenhäuser, ebenso für viele gut gemeinte Ansätze im Koalitionsvertrag, wie Kinder- und Jugendmedizin oder mehr Pflegepersonal. Als weiteres kaum finanzierbares Projekt sind die Gesundheitskioske zu nennen; hierbei handelt es sich Anlaufstellen für sozial benachteiligte Personen, bei denen über Prävention und Gesundheitsthemen aufgeklärt wird.

Droht die Insolvenz einer großen Krankenkasse?

Wiederholt sich das Szenario vom Anfang der 2000er-Jahre als die Konjunktur schwächelte und dadurch die Einnahmen der GKV sanken? Damals wurden in der Folge Leistungen aus dem Leistungsspektrum gekürzt bzw. gestrichen. Im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes 2004 fielen so Zuzahlungen beispielsweise für Brillen und Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen weg. Es ist die Frage, ob es zu weiteren Einschränkungen kommen wird. Nicht auszuschließen ist nach der Aussage von Carola Reimann, dass auch eine große Kasse in die Insolvenz rutschen kann, wenn die Kassenreserven aufgebraucht sind.

Leistungskürzungen unverantwortlich

Leistungskürzungen dagegen hält sie für unverantwortlich, da hiervon die Schwächsten der Gesellschaft getroffen werden, vielmehr muss die Effizienz im Gesundheitssystem angehoben werden. "Der größte Ausgabenblock sind die Krankenhäuser. Und eine Nullrunde für alle Leistungserbringer und die Senkung der Steuerabgaben auf Arzneimittel würden € 10 Milliarden  einsparen", so die AOK-Chefin. Nach ihrer Meinung sind umfassendere Reformen im Kassensystem mit einer "klaren Perspektive für die kommenden Jahre" unumgänglich. Weiter muss sich der Bund an den Kosten der Hartz4-Empfänger angemessen beteiligen.

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