BGH trifft kundenunfreundliches Urteil zu gekürzter Überschussbeteiligung
Erst kürzlich reduzierte der Branchenprimus Allianz den Rechnungszins einiger Rentenversicherungstarife von ehemals 1,75 auf nunmehr 1,25 Prozent. 750.000 Verträge fallen diesem Beschluss zum Opfer, bei denen nun die betroffenen Kunden weniger garantierte Rente erhalten. Getreu dem Motto eine schlechte Nachricht kommt selten alleine, dringt eine Streitigkeit an die Öffentlichkeit, die ein negatives Licht auf die Allianz Lebensversicherung wirft. Hier geht es um die grundsätzliche Frage der Versicherungskonzerne, ob ein Versicherer die Überschussbeteiligung der Kunden senken darf, um einen vorgeschriebenen Sicherungsbedarf zu decken, während er aber gleichzeitig Gewinne an den Mutterkonzern abführt?
Überschussbeteiligung fast halbiert
Nun hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über einen Fall zu entscheiden, bei dem sich die Überschussbeteiligung eines Versicherungskunden der Allianz nahezu halbierte. Ihm stellte man im Jahr 2010 Überschüsse von gut € 11.300 für einen 1987 abgeschlossenen Vertrag in Aussicht. Doch zum Ablauf des Vertrages im Jahr 2014 kam die böse Überraschung - nur knapp € 6.400 kamen zur Auszahlung. Der Kunde zog daraufhin vor Gericht, da für ihn der Verdacht aufkam, der Versicherer habe gegen das Ausschüttungsverbot verstoßen. Das Verbot bedeutet, dass eine Versicherungsgesellschaft die Bewertungsreserven bzw. den Überschuss nicht dadurch reduzieren darf, um Dividenden ihrer Aktionäre zu erhöhen.
Fragliche Gewinnabführung
Nach § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind Versicherer verpflichtet, die Versicherungsnehmer an Bewertungsreserven und Überschüssen zu beteiligen. Doch wie verhält sich das Ganze, wenn das Kapital innerhalb eines Konzerns zwischen einzelnen Gesellschaften neu verteilt wird? Auch das war ein Punkt, den der BGH in seiner Entscheidung zu klären hatte. Laut Auffassung des klagenden Kunden ist die Gewinnabführung ebenfalls ein Verstoß gegen das Ausschüttungsverbot. Er begründete dies mit der Schmälerung der Überschüsse, während die Allianz Leben Gewinne an den Mutterkonzern abführt.
Verweis auf LVGR
Auf seine Nachfrage teilte man ihm mit, dass die Überschüsse durch das seit 2014 geltende Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) zulasten des Kunden begrenzt wurden. Somit kann der Versicherer Gewinnabführungen an die Muttergesellschaft einberechnen. Im konkreten Fall ermittelte die Allianz Leben entsprechend den Vorgaben des LVRG einen höheren Sicherungsbedarf und behielt anteilig Bewertungsreserven ein. Es ist schon kurios, dass im gleichen Zeitraum Gewinne erzielt wurden, die man allerdings nicht nutzte um den Sicherungsbedarf zu decken, sondern gemäß Gewinnabführungsvertrag an den Konzern auszahlte.
Versicherungsombudsmann und BaFin helfen nicht
Um Klärung herbeizuführen, wandte sich der verärgerte Kunde zunächst an den Versicherungsombudsmann. Hierbei handelt es sich um eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle, deren Aufgabe darin besteht, Streitigkeiten in Versicherungsangelegenheiten beizulegen. Allerdings sah sich dieser außerstande zu prüfen, ob ein Sicherungsbedarf besteht. Der Kunde sah sich im Recht und setzte sich im nächsten Schritt mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Verbindung. Von dort erhielt er die Auskunft, dass die Ausführungen des Versicherers aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Des weiteren ergab die Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Allianz Leben zu einem falschen Ergebnis gekommen sei.
BGH entscheidet zugunsten der Allianz Leben
Daraufhin bestritt er den juristischen Weg und zog vor das Landesgericht Stuttgart - hier bekam er zunächst einen positiven Bescheid. Doch vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wies man die Klage ab (Az.: 7 U 12/18). In der letzten Instanz entschied nun der BGH mit dem Urteil vom 20. Januar 2021 im Sinne der Versicherungsgesellschaft. Der Kunde habe zwar grundsätzlich Anspruch auf Beteiligung an den Überschüssen und Bewertungsreserven des Versicherers, aber bei einer Gewinnabführung an die Muttergesellschaft handele es sich nicht um einen Bilanzgewinn
(Az.: IV ZR 318/19).
Der Unterschied zwischen Abführung und Ausschüttung
Die Allianz Leben hat nicht gegen das Ausschüttungsverbot verstoßen. Es handelt sich bei einer Verlagerung von Kapital innerhalb eines Konzerns nicht um eine Gewinnausschüttung an die Aktionäre und ist dementsprechend mit einem solchen Hergang nicht vergleichbar. Bei einer Ausschüttung wird dem Unternehmen Vermögen entzogen, während der abgeführte Gewinn an den Konzern für die jeweilige Tochtergesellschaft weiterhin eingeschränkt verfügbar bleibt.
Vorgelegte Zahlen seien plausibel
In der Urteilsbegründung ist zu lesen, dass die Allianz Leben den Sicherungsbedarf substantiiert dargelegt habe. Nach Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen seien die vorgelegten Zahlen den eigenen Berechnungen zufolge im Schätzverfahren plausibel und nachvollziehbar. Daher sei eine weitergehende Beweisaufnahme nicht erforderlich. Weiter führt der BGH aus, dass die errechneten Bewertungsreserven davon unberührt bleiben, ob die Gesellschaft an einen Gewinnabführungsvertrag gebunden ist. Besagte Bewertungsreserven stellen vorerst einen rein rechnerischen Posten dar, dessen Höhe sich aus der Differenz zwischen Buch- und Zeitwert von Kapitalanlagen ergibt.
Kundenfeindliches Urteil
In seiner Gesamtheit ein kundenunfreundliches Urteil, das u.a. Bemühungen verhindert, Kosten zugunsten höherer Kundenrendite zu senken. Außerdem fehlt jegliche Transparenz wie Gewinnausschüttungen innerhalb eines Konzerns zustande kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf meinen kürzlich erschienenen Blogartikel "Renditen der Lebensversicherungen sinken weiter" verweisen.