Fiskus zockt Unternehmen und Bürger mit Nachzahlungszinsen ab
Ob Privatmann oder Firma, in vielen Fällen haben steuerliche Nachprüfungen für den Betroffenen unangenehme Folgen. Denn stößt der Prüfer auf Unregelmäßigkeiten, werden in Folge saftige Nachzahlungen berechnet – gerade Unternehmen müssen oft tief in die Tasche greifen. Vielen ist sicherlich nicht bekannt, dass der Fiskus neben den ausstehenden Steuern noch zusätzlich Zinsen in Höhe von sechs Prozent p.a. verlangt. Der sogenannte Zinslauf beginn nach einer Karzenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a AO). Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Beschluss große Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Zinssatzes geäußert (BFH, Az. IX B 21/18). Der Vollzug des angefochtenen Zinsbescheides wurde deswegen ausgesetzt.
Zinssatz verfassungsgemäß?
Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) muss nun darüber urteilen, ob der gesetzliche Zinssatz verfassungsgemäß ist - den Richtern liegen zwei Beschwerden zum Entscheid vor. Betroffenen Steuerzahlern ist deshalb anzuraten, gegen Zinsbescheide ohne Vorläufigkeitsvermerk Einspruch einzulegen. Damit sichert man sich bei einem steuerzahlerfreundlichen BverfG-Urteil den Anspruch auf Rückerstattung.
Nachzahlungszinsen sind lukrative Einnahmequellen
Für die Finanzbehörden geht es bei den Zinsen für Nachzahlungen um viel Geld. So haben beispielsweise die Betriebsprüfer im Jahr 2016 bundesweit rund € 14 Milliarden eingetrieben. Der anberaumte Zinssatz in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat bzw. sechs Prozent im Jahr, stellt für den Staat eine lukrative Einnahmequelle dar. Der Zinssatz selbst (gilt auch für Steuererstattungen) stammt noch aus der Zeit weit vor der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Gesetzgeber legte die damals geltenden Anlage- und Darlehenszinssätze zugrunde. Nach Ansicht der BFH-Richter ist dieser Satz aktuell zu hoch und es steht außer Zweifel, dass er sich zukünftig an den jetzigen Gegebenheiten orientieren müsse. Der Entscheid des BverfG wird noch in diesem Jahr erwartet.
Finanzverwaltung ordnet Aussetzung der Vollziehung an
Die Finanzverwaltung hat die Aussetzung auf Vollziehung aller Zinsbescheide unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet. Grundlage dafür bildet ein neues Schreiben des Bundesfinanzministeriums (Az. IV A 3 – 0465/18/10005-01). Diese Anweisung gilt für Verzinsungszeiträume beginnend ab dem 1. April 2015, unter bestimmten Umständen ist sogar eine Aussetzung für einen davor liegenden Zeitabschnitt möglich. Dafür muss der Steuerzahler allerdings detaillierte Gründe liefern, inwiefern die Zinszahlung eine unbillige Härte darstellt und demnach ein berechtigtes Interesse an dessen Stillstand besteht.
Zinszahlungsstopp für alle Steuerarten
Der angeordnete Zinszahlungsstopp gilt für alle Steuerarten. Bedingung dafür ist, dass kein abschließender Steuerbescheid veranlasst wurde und der Steuerpflichtige die dafür nötigen Schritte einleitet. Zunächst ist der Betroffene verpflichtet, mit einem Verweis auf das BFH-Verfahren gegen die Zinsfestsetzung, schriftlich Einspruch einzulegen. Anschließend muss das Ruhen des Verfahrens in einem weiteren Schritt beantragt werden. Dafür reicht im Einspruch ein entsprechender Antrag, in dem die beim BVerfG anhängigen Verfahren explizit aufzuführen sind (Az. 1 BvR 2237/14 und Az. 1 BvR 2422/17). Des weiteren ist eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung zu beantragen, um sicherzustellen, dass der geforderte Zins zum festgesetzten Termin nicht doch noch gezahlt werden muss.
Was ist zu tun, wenn Steuerzinsen bereits gezahlt wurden?
Wie verhält man sich, wenn Steuerzinsen bereits gezahlt wurden? Auch hier hilft ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung - somit erstattet der Fiskus den bereits gezahlten Betrag. Doch prinzipiell ist jedem Betroffenen zu empfehlen, fachlichen Rat bei seinem Steuerberater oder Rechtsanwalt einzuholen. Nur so kann vorab eine Bewertung der Erfolgsaussichten vorgenommen werden. Auch muss die Argumentation auf rechtlich sicheren Boden stehen.