Chef des Ifo-Instituts kritisiert EuGH-Urteil zu EZB-Bondkäufen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 16.06.15 entschieden, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen von notleidenden Euro-Staaten in unbegrenzter Höhe kaufen darf. Die Reaktionen von Experten auf diesen Urteilsspruch fallen mehrheitlich negativ aus.
Kritik des Ifo-Instituts
Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts, kritisiert diese Entscheidung harsch: „Das ist ein bedauerlicher Fehler des Gerichts. Die EZB überschreitet sehr wohl ihre Kompetenzen und betreibt Wirtschaftspolitik. Das darf sie nicht“. Bei der Gerichtsentscheidung ging es um die sogenannten „Qutright Monetary Transactions“ (OMT), durch welche die EZB notfalls Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe kaufen kann. Kritisiert wird, dass auf diese Weise gegen das Verbot einer direkten Staatenfinanzierung verstoßen wird. Das Urteil des EuGH legalisiert dieses Programm, da nach Meinung des Gerichts diese Käufe nicht die gleichen Auswirkungen wie Direktkäufe hätten. In der Urteilsbegründung heißt es weiter, diesen Eingriff könnten die Marktteilnehmern so nicht erwarten - eine Garantie dafür sei die fehlende Ankündigung sowie bestimmte Wartefristen.
Für Hans-Werner Sinn hat die EZB die Marktteilnehmer zu Zwischenkäufern gemacht, die ohne Anlagerisiko arbeiten können. Für ihn kommt dies einer kostenfreien Ausfallversicherung für Kredite gleich, wenn Anleihen eines in Turbulenzen geratenen Staates unbegrenzt gekauft werden können: „Insofern ist die ökonomische Argumentation des Gerichts nicht nachvollziehbar und nicht wahrhaftig“. Der Chef des Ifo-Instituts fordert das deutsche Verfassungsgericht daher auf, sich bei seinen Urteilen von der Entscheidung des EuGH nicht beirren zu lassen.
Skepsis überwiegt
Nicht überrascht von diesem Urteil zeigt sich der Makroökonom und Buchautor Daniel Stelter, Gründer des Diskussionsforums „Beyond the obvious“: „Auch wenn das Instrument nie eingesetzt wurde, dürfen wir die grundsätzliche Bedeutung dieses Urteils nicht unterschätzen“. Dieser Entscheid ist richtungsweisend für die Gerichte der Mitgliedsstaaten.
Allerdings bleibt abzuwarten, wie die juristische Prüfung des aktuellen Kaufprogramms ausfällt. Stelter weiter: „Jede andere Entscheidung hätte angesichts der ungelösten Griechenlandproblematik die Unsicherheit weiter erhöht und für erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt; insofern trägt der EuGH heute sicher zur Befriedung bei, wenn er dem „lender of last resort“ den Rücken stärkt.“ Kritisch sieht er die bestehende Situation: „Die EZB gibt Banken, die faktisch insolvent sind, Kredite gegen fragwürdige Sicherheiten, zu einem Zinssatz von fast Null. Dies zeigt, wie schlimm es um das Finanzsystem nicht nur in Griechenland im Jahre sechs der Krise bestellt ist.“
Dass sich das Marktumfeld schwierig gestaltet, daran besteht kein Zweifel. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieses richtungsweisende Urteil des EuGH nicht in die falsche Richtung geht und mittelfristig die gewaltigen Staatsschulden weiter in die Höhe treibt frei nach dem Motto: "Es ist einfach zu wirtschaften mit dem Geld anderer Leute".